Rubus L. – Brombeere, Himbeere, Kratzbeere, Steinbeere, Moltebeere

Die Brombeeren stellen neben den zu den Korbblütlern gehörenden Habichtskräutern und Löwenzähnen die artenreichste Gattung in Deutschland. Derzeit sind rund 430 Arten bekannt, wobei noch laufend neue hinzukommen. Der wichtigste Grund für die große Formenvielfalt ist die Kombination von Apomixis und Hybridisierung. Von den einheimischen Arten sind nur die diploiden Rubus canescens und R. ulmifolius rein sexuell, die anderen, meist polyploiden, sind fakultativ apomiktisch. Das bedeutet, dass ein großer Teil der Samen ohne Kreuzung gebildet wird und somit die Merkmale der Mutterpflanze unverändert weitergibt. Im Gegensatz zu einigen anderen überwiegend apomiktischen Gattungen (z.B. Alchemilla) kommt es aber ganz oft auch zu Bastardierungen, z.T. sogar zwischen verschiedenen Untergattungen. Selbst wenn anscheinend viele dieser Kreuzungsprodukte in der Natur nicht überlebensfähig sind, führt dies doch immer wieder zum Entstehen neuer Sippen. Deren Anteil ist von Region zu Region unterschiedlich groß. Um diese Vielfalt einigermaßen überschaubar zu halten, haben sich die Taxonomen derzeit darauf verständigt, dass eine Sippe erst dann als Art akzeptiert wird, wenn ihr Arealdurchmesser ein bestimmtes Maß (30-50 km) überschreitet. Dieser Ansatz hat aber auch zur Folge, dass immer ein gewisser Anteil der im Gelände wachsenden Brombeeren keiner Art zugeordnet werden kann und somit nicht bestimmbar ist.

Von den 12 Untergattungen der Gattung Rubus sind in Deutschland nur Vertreter aus vieren heimisch (Idaeobatus: Rubus idaeus, Himbeere; Chamaerubus: Rubus chamaemorus, Moltebeere; Cylactis: Rubus saxatilis, Steinbeere; Rubus: Rubus caesius, Kratzbeere und alle Brombeeren). Aus mehreren weiteren Untergattungen werden Arten als Zierpflanzen kultiviert und verwildern gelegentlich bei uns. Die Ausführungen beziehen sich nur auf die Untergattung Rubus, die Brombeeren.

Innerhalb der Untergattungen werden die Arten Serien zugeordnet. Durch die hybridogene Entstehung der Arten ist diese Zuordnung aber nicht immer eindeutig möglich. Trotzdem erleichtert diese Vorgehensweise den Überblick über die vorhandene Vielfalt.

Die Gattung ist fast weltweit verbreitet, wobei in den tropischen Gebieten oft nur die Gebirge besiedelt werden. Die größte Artenvielfalt wird in Südostasien, in den Anden Südamerikas sowie in den Küstenregionen Europas und des östlichen Nordamerikas erreicht.

Innerhalb der Untergattung Rubus haben die beiden bei uns verbreiteten Sektionen deutlich unterschiedliche Verbreitungsschwerpunkte. Die oft immergrünen Vertreter der Sektion Rubus sind vor allem im subozeanisch geprägten nordwestlichen Europa zu finden, während der Anteil der sommergrünen, unter Beteiligung von Rubus caesius entstandenen Arten der Sektion Corylifolii nach Osten größer wird.

Brombeeren siedeln im Wesentlichen in Gehölzen, zum Teil bilden sie sogar eigene Gebüschstrukturen. Viele Arten lassen sich einem von zwei Biotop-Haupttypen zuordnen. Als thamnophil werden Arten bezeichnet, die ihren Schwerpunkt an lichtreichen Gebüsch- und Waldrändern haben. Fast alle Corylifolii-Arten gehören dazu. Nemophil nennt man Arten, die vor allem innerhalb des Waldes wachsen.

Die heimischen Brombeeren bilden morphologisch eine Übergangsform zwischen Kräutern und Sträuchern. Sie werden deshalb Staudensträucher bzw. Schein- oder Halbsträucher genannt. Die unterirdischen Organe sind ausdauernd, die oberirdischen zweijährig. Im ersten Jahr wird ein blütenloser Langspross (Schössling) gebildet. Dieser treibt dann im zweiten Jahr Blütenstände als Seitensprosse aus den Blattachseln. Nach der Fruchtreife stirbt der oberirdische Teil der Pflanze ab.

Fast alle Arten weisen Stacheln auf. Diese können am Schössling, aber auch an Blattstiel und Blattunterseite, am Blütenstiel oder am Kelch entwickelt sein. Ihre Zahl, Größe und Form ist von Art zu Art sehr unterschiedlich.

Die Blätter sind wechselständig angeordnet und können je nach Art sommer- oder immergrün sein. Sie sind in drei- bis elf Teilblätter (Blättchen) untergliedert, wobei die fünfzähligen Blätter am häufigsten vorkommen.

Die fünfteiligen Blüten sind in einer Rispe angeordnet. Vor allem Vertreter der Sektion Corylifolii haben oft nur wenige Blüten, während diese bei einer Reihe von Arten der Sektion Rubus sehr zahlreich sein können. Die Hauptblütezeit liegt im Juli, einige Arten beginnen auch schon im Juni zu blühen, bei anderen dagegen reicht die Blütezeit bis in den August. Viele Arten bilden nach der Hauptblüte gelegentlich einzelne Nachblüten.

Bei den charakteristischen Früchten, die der Gattung ihren deutschen Namen eingebracht haben, handelt es sich morphologisch um Sammelsteinfrüchte. Das bedeutet, dass jede Teilfrucht einen Steinkern mit einem Samen enthält, der von weichem Fruchtfleisch eingehüllt wird. Die Zahl der Teilfrüchte ist von Art zu Art sehr unterschiedlich. Manchmal, vor allem bei Vertretern der Sektion Corylifolii, entwickeln sich gar keine oder nur einzelne Teilfrüchte, diese sind dann relativ groß. Bei einigen Arten der Sektion Rubus sind diese dagegen sehr zahlreich und entsprechend kleiner.

Nahezu alle Teile der Pflanze können, je nach Art, völlig kahl aber auch filzig behaart und/oder mit Drüsen besetzt sein.

Der einzige neuere deutschlandweit anwendbare Bestimmungsschlüssel, ist der von Weber (1995) im Hegi. Aber auch diesem Fehlen die in den letzten 20 Jahren neu beschriebenen oder erstmals in Deutschland nachgewiesenen Arten. Für eine Reihe von Bundesländern gibt es inzwischen Bestimmungsschlüssel für die im entsprechenden Gebiet nachgewiesenen Arten. Wegen der vielen, z.T. sehr ähnlichen Arten ist für die Bestimmung eine gründliche Einarbeitung notwendig und es bleiben oft Unsicherheiten.

Zur späteren Bestimmung müssen mindestens ein Blütenstand und ein Schösslingsstück (etwa 10 cm aus der Mitte eines voll entwickelten Schösslings) mit Blatt gesammelt werden. Besser ist es allerdings zwei Blätter zu Herbarisieren, da dann auch nach einer späteren Montage auf einen Herbarbogen immer noch die Merkmale von Ober- und Unterseite betrachtet werden können.

Gut entwickelte Pflanzen sind in der Regel von Juli bis September vorhanden. In Ausnahmefällen ist auch ein früheres oder späteres Sammeln möglich.

Da die Bedingungen am Wuchsort erheblichen Einfluss auf die Ausprägung der Merkmale haben, sind sie schon beim Sammeln zu beachten. Brombeeren sollten nur an ausreichend besonnten Stellen gesammelt werden. Bei Vorkommen im Wald sind dies vor allem Ränder, Lichtungen oder Säume entlang von breiten Wegen. Da oftmals mehrere Rubus-Arten gemeinsam vorkommen, ist es ganz wichtig beim Sammeln darauf zu achten, dass Schössling und Blütenstand von der gleichen Pflanze stammen.

Vor allem die Blütenfarbe und die eventuelle Wölbung der Blättchen, die sich beim Pressen und Trocknen ändern können, sollten im Gelände notiert werden.

Bei der Bestimmung ist eine starke Lupe oder besser ein Binokular notwendig, um die verschiedenen Drüsen- und Haartypen sowie deren Häufigkeit sicher erkennen zu können.

Die Zahl von über 400 in Deutschland vorkommenden Rubus-Arten überstieg die im Projekt vorgesehene Kapazität. Aus diesem Grund wurde nur eine Auswahl davon bearbeitet. Neben den in der zu Beginn des Projektes aktuellsten Ausgabe des Rothmaler‘s (Weber 2011) enthaltenen Arten wurden noch solche berücksichtigt, die weit verbreitet sind, d.h. deren Arealdurchmesser 500 km übersteigt. Darunter befinden sich allerdings auch einige wenige Arten, deren Areal Deutschland gerade noch erreicht. Besonders von diesen gelang es nicht immer 10 aus Deutschland stammende, geeignete Belege zu finden. Hier wurde dann teilweise mit Material aus angrenzenden Ländern ergänzt.

Basierend auf den aktuellsten Bearbeitungen der Gattung für die Flora Deutschlands (Weber 2016, 2021) wurden inzwischen einige taxonomische und nomenklatorische Änderungen eingearbeitet.

Für die Bereitstellung instruktiver Belege danken wir Friedrich Fürnrohr (Seubersdorf-Schnufenhofen) und Günter Matzke-Hajek (Alfter) sowie dem Herbarium Berolinense (B). Außerdem danken wir Günter Matzke-Hajek, Friedrich Sander, Király Gergely, Werner Jansen für die Revisionen der präsentierten Belege.

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